Gordon Whittaker,
The Dawn of Writing and Phoneticism
11–50
Show abstractGordon Whittaker, der seinerzeit nicht an dem Workshop teilgenommen hatte, stellt eine neue Theorie zur Entstehung der sumerischen Keilschrift vor, die von außerordentlicher Bedeutung nicht allein für die späte Vorgeschichte des südmesopotamischen Raumes, sondern auch für die Herausbildung der indoeuropäischen Sprachgruppe ist. Seine Studien gehen von den weder als sumerisch noch als semitisch erklärbaren Bestandteilen früher Keilschrifttexte aus und belegen die These, daß bei dem Prozeß der Schriftentstehung eine frühindoeuropäische Sprechergemeinschaft (direkt oder mittelbar über eine weitere, unbekannte Sprache) beteiligt gewesen sei, die mehr als 1500 Jahre vor den ältesten bislang bekannten indoeuropäischen Sprachzeugnissen existierte. Besonders aufsehenerregend ist der Umstand, daß es dem Verfasser gelungen ist, eine Tafel aus dem späten 4. Jahrtausend vollständig auf der Basis des Indoeuropäischen zu interpretieren.
Paola Cotticelli-Kurras,
Die anatolischen Sprachen des zweiten Jahrtausends v. Chr.: ein Beispiel für Multiliteralismus
51–76
Show abstractPaola Cotticelli-Kurras widmet sich dem anatolischen Raum des zweiten und frühen ersten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung. Dort treffen wir mit dem Hethitischen, dem (Keilschrift)Luwischen, dem Hurritischen, dem Akkadischen und dem Sumerischen nicht nur auf eine Anzahl teils verwandter, teils nicht verwandter Sprachen, für deren Verschriftung jeweils eine Form der mesopotamischen Keilschrift verwendet wurde, und auf intensive sprachliche und kulturelle Kontakte, als deren Folge eine Fülle mehrsprachiger und/oder mehrschriftiger Textdenkmäler entstanden ist, sondern können auch die Herausbildung eigenständiger Schriftsysteme - der luwischen Hieroglyphen und, etwas später der lykischen, lydischen und karischen Alphabete - beobachten. Anatolien gehört zu einem vom Niltal bis zum Kaukasus und von der Ägäis bis zum Zagros reichenden Großareal, dessen Teile für sich allein jeweils an der Peripherie eines Kontinents liegen, zusammen jedoch eine zentrale Kontakt- und Durchgangszone bilden, in der die Zivilisationsgeschichte seit vielen Jahrtausenden von der Interaktion (nordost-)afrikanischer, (südwest-)asiatischer und (südost-)europäischer Komponenten geprägt ist. Generell hat man den Eindruck, daß die Rolle, die kulturelle und sprachliche Kontakte gerade in dieser Region spielten, noch vielfach unterschätzt werden. Von einem übereinzelsprachlichen Standpunkt aus bemerkenswert erscheinen insbesondere die von P. Cotticelli-Kurras diskutierten Strategien zur Optimierung eines adaptierten Schriftsystems, die im Zusammenhang mit der sogenannten Sturtevantschen Regel angesprochen werden.
Michael P. Streck,
Keilschrift und Alphabet
77–97
Show abstractMichael Streck untersucht die Auswirkungen, die der Kontakt mit dem Aramäischen, einer durch ein Alphabet mit zweiundzwanzig Konsonantenzeichen verschrifteten Sprache, auf die Jahrtausende alte akkadische Schriftkultur im letzten Jahrtausend v. Chr. hatte. Während die akkadische Keilschrift, vereinfacht gesagt, Vokalphoneme gut repräsentieren kann, aber zum Teil erhebliche "Defizite" hinsichtlich der Darstellung der konsonantischer Phoneme aufweist, verhält es sich beim Aramäischen dieser Zeit genau umgekehrt: Vokale werden nur teilweise durch mehrdeutige Grapheme angedeutet, die Konsonanten jedoch konsistent dargestellt. Streck untersucht Strategien zur Optimierung der Konsonantendarstellung, die von akkadischen Schreibern angewandt werden, welche, wie aus verschiedenen Quellen deutlich wird, oft Seite an Seite mit ihren Aramäisch schreibenden Kollegen arbeiteten, und mit Sicherheit von diesen erst die Anregung für die genannten Adaptionen erhalten haben.